Pucks Spezial-Baum

Seit die Tage kürzer geworden sind, schlendert Puck am Abend gerne unbemerkt durch die kleinen Straßen im Dorf

und schaut sich die Häuser und Gärten an, die vom Schnee wie zugedeckt erscheinen.

Als er heute zurück zu Elli kommt, stellt er sich ganz gerade auf und verkündet ohne Umschweife:

"Wir brauchen einen Lichterbaum im Garten!"

Elli sieht vom Geschirr, welches sie gerade in den Händen hält, auf.

"Wozu brauchen wir denn einen Lichterbaum?"

Puck schaut sie entgeistert an. "Natürlich weil er schön ist. Also wirklich, das musst du doch erkennen", und er schüttelt ungläubig den Kopf.

"Wegen der langen Dunkelheit, weil man sich dann darauf freut, dass es abends schneller dunkel wird. Verstehst du?"

Elli grübelt. "Bisher sind wir gut ohne Lichterbäume im Garten ausgekommen. Sonst hatten wir zu Heiligabend einen Weihnachtsbaum, das finde ich passend."

Puck schüttelt energisch den Kopf.

"Aber man kann doch auch mal was anders machen, als sonst immer. Mal was Neues ausprobieren."

Elli ist nicht überzeugt.

"Ich weiß nicht, ich finde das alles doch eher kitschig. Und ich habe wirklich viel zu tun und gar keine Zeit, so was aufzubauen. Denn weißt du, wenn ich so etwas im Garten haben wollte, müsste das schon völlig anders aussehen,

als bei allen anderen. Sozusagen der Elli-Spazial-Baum! Und dafür habe ich keine Zeit."

Doch wenn Puck sich etwas in den Kopf gesetzt hat, gibt er so schnell nicht auf.

"Ich, ich habe jede Menge Zeit. Ich kann das machen....Ja genau, ich weiß auch schon, womit ich anfange",

murmelt er im loslaufen, ohne auf weitere Einwände zu warten. 

"Aber , aber...wenn das nicht ganz besonders und speziell aussieht, will ich es nicht in meinem Garten haben, Klar?",

ruft Elli ihm hinterher.

Und zu sich selbst: "Dann baue ich das wieder ab, versprochen".

Doch Puck ist schon zur Tür hinaus auf dem Weg in den Schuppen.

In den nächsten Tagen bekommt Elli Puck kaum zu Gesicht.

Was sie jedoch sehen kann ist, dass im Garten vor dem Haus ein Haufen aus Ästen, Zapfen, getrockneten Blumen

und allerlei Zeug aus dem Wald entsteht. Skeptisch beobachtet sie diese Entwicklung.

Am Abend hört sie Puck vor dem Haus schimpfen. 

 Puck versucht mit einem Seil im Maul einige große Äste miteinander zu verbinden.

"Mum bleib boch stehen, verbammt! " Er kämpft und rackert, doch immer, wenn es fast gelungen scheint, fällt sein Gebilde wieder zusammen. Nach einiger Zeit sitzt er kopfschüttelnd mitten in seiner Baustelle im Schnee und schnauft.

Elli muss dem Versuch widerstehen, ihm helfen zu gehen. Es tut ihr weh zu sehen, dass er nicht vorankommt, doch sie will nun mal keinen Lichterbaum im Garten.

Elli versteckt sich hinter dem Fenster, damit Puck nicht bemerkt, dass sie ihn beobachtet.

Doch Puck hat es längst bemerkt.

"Na warte, ich werde dir beweisen, dass ich das kann. Und dann wirst du staunen. Warte ab! ", denkt er bei sich.

Als Puck  später völlig erschöpft in sein Bettchen fällt und auf der Stelle einschläft, hält Elli es nicht länger aus.

Sie geht ganz leise vor die Tür. 

Als sie sieht, was Puck da geschaffen hat, stockt ihr der Atem.

Staunend läuft sie um ein Gestell herum, dass aus an der Spitze zusammengebundenen langen Ästen besteht, an die Puck alle möglichen Dinge gebunden hat, die er im Wald gefunden hat.

Da hängen Zapfen von Kiefer und Tanne, ausgewaschenen Wurzeln, Hagebuttenzweige , besondere Steine mit Loch drin , getrocknete Blumen und viele andere kleine Dinge aus Wald, Feld und Garten.

Nur Lichter, die hat das Gestell nicht. 

Elli geht wieder ins Haus, setzt sich ans Feuer und schaut grübelnd ihrem kleinen Freund beim Schlafen zu.

Am nächsten Tag tut Elli so, als hätte sie Pucks Bauwerk nicht bemerkt.

Sie beschäftigt sich im Haus, und als es Nachmittag wird, ruft sie Puck zu sich.

Dieser hat den ganzen Tag weiter gewerkelt und gebastelt und will Elli seinen Lichterbaum erst zeigen,

wenn er ganz sicher sein kann, dass sie ihn lieben wird.

"Puck, kannst du für mich auf die große Lichtung laufen und nachsehen, ob es noch ein zwei Steinpilze gibt?

Ich möchte Risotto kochen und vielleicht gibt es auch ein Stückchen Hühnchen dazu.", fragt Elli Puck, ohne ihn anzusehen.

Das ist keine ungewöhnliche Bitte, denn oft bringt Puck Pilze von seinen Streifzügen aus dem Wald mit. 

"Mach ich! ", ruft Puck, und flitzt los im Sauseschritt, denn die Aussicht auf Hühnchen beschleunigt seine Beine. 

Schnell klettert Elli währenddessen auf den Boden und durchwühlt all die Dinge, die sie aufgehoben hat für irgendeinen Moment, in dem man diese bestimmt brauchen wird.

Als Puck nach einiger Zeit zurückkommt, sieht er gar nicht mehr lustig aus. Es wird bereits dunkel, und er trottet traurig zu ihr.

"Kein einziger Pilz, nicht einmal ein Klitzekleiner. Ich habe überall gesucht, unter dem Schnee, bis ich nichts mehr sehen konnte. Es tut mir leid. Die Pilze haben sich alle versteckt. Können wir das Hühnchen auch ohne Pilze essen?"

"Es ist alles schon fertig, komm nur. Es wäre mit frischen Pilzen nur noch besser gewesen, aber es wird schon passen".

Puck schleicht hinter Elli ins Haus, und vergessen ist sein Bauprojekt bei dem leckeren Duft von gebratenem Hühnchen.

Als Puck sich mit vollgefuttertem Bauch vor den Kamin einrollt, fällt ihm sein Lichterbaum ohne Lichter wieder ein.

"Du, wie kommen denn die Lichter an die Bäume in den Gärten bei den Leuten im Dorf?", fragt er müde.

"Die kauft man, das sind so Lichterketten mit Strom. Die gibt es in allen möglichen Farben. Alle haben so etwas.

Das ist Nichts besonderes."

"Können wir so etwas auch kaufen?  Für den schönsten Lichterbaum im ganzen Dorf? Für  den Puck-Spezial-Baum?"

"Ich denke darüber nach", antwortet Elli. Nach einer Weile fragt sie: "Willst du mir zeigen, was du gebaut hast?"

Puck zögert."Aber es ist ohne Lichter nicht ganz perfekt. Du darfst es nicht abbauen, wenn es dir noch nicht ganz fantastisch gefällt. Versprochen?"

"Versprochen."

Als Puck vors Haus tritt, ist er es , der seinen Augen nicht trauen kann.

Sein Gestell leuchtet von vielen kleinen Lichtern, und zu den Sachen aus dem Wald hat Elli zusätzlich einige wunderschöne Weihnachtskugeln aufgehängt. Und sogar Rudi, das Einhornplüschtier hat sie angebaut.

Vor lauter Freude hopst Puck Elli auf den Arm und gibt ihr einen dicken Kuss.

"Dass ist der allerbeste Puck-Elli-Speziallichterbaum, den die Welt je gesehen hat, flüstert Puck Elli  ins Ohr.

Sie nickt. "Da kannst du Recht haben."

"Können wir das jetzt immer so machen?", fragt Puck.

Elli schaut verzückt in die Lichter. "Wenn es immer so wunderbar wird, kann das eine schöne Tradition werden."

"Was ist eine Tradition?", fragt Puck.

"Wenn man etwas auf eine bestimmte Weise zu bestimmten Anlässen immer wieder macht."

"So wie Hühnchen am Wochenende?", fragt Puck.

Elli muss kichern. 

"Irgendwie schon".

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Cortina (Donnerstag, 02 November 2023 01:11)

    Mir wird es schon wieder so warm ums Herz ❤️