Puck und die Blümchenfutterdiebe

Von Ulrike Haase und Emilia Rosa Haase

 

Puck liegt an der offenen Terrassentür und schaut dem kleinen Wasserfall zu, der in nicht enden wollender Folge aus der kaputten Dachrinne in die große Regentonne plätschert.

„Hört es denn je wieder auf zu regnen?", fragt er Elli, die in der Küche arbeitet.

„Nein, ich glaube nicht, das wird jetzt immer so weiter gehen“, antwortet sie.

Elli steht mit dem Rücken zu Puck, und so kann er ihr Gesicht nicht sehen und ahnt nicht, dass sie ihn nur veralbern will.

Empört springt er auf, mit einem Satz ist er in der Küche und mit dem nächsten Satz auf dem Küchentisch, an dem Elli steht.

„Nein, nein, nein, das kann nicht sein!“, ruft er direkt vor ihrem Gesicht. Elli lächelt ihn an. „Du weißt schon, dass du nicht auf den Tisch klettern sollst, oder?“

„Ich bin nicht geklettert!“, gibt Puck schmollend zurück. „Was soll ich nur tun? Mir ist sooooo langweilig. Alle haben sich versteckt vor dem Regen, niemand ist zum Spielen da!“

„Nun, du könntest mir helfen. Du kannst die Küchenabfälle rausbringen“, schlägt Elli vor. Puck untersucht den Haufen Kartoffel – und Möhrchenschalen, der an Ellis Arbeitsplatz liegt. „Was soll das, warum machst du das ab?“, fragt er neugierig.

Elli schaut auf die Schalen. „Das macht man eben so, die Schalen sind schmutzig und nicht so lecker.“

Puck sieht einige Male zwischen den Schalen und Elli hin und her. „Manchmal hast du wirklich komischen Ideen! Und was machst du nun mit den Resten?“

„Daraus wird Blümchenfutter.“

Überrascht schaut Puck auf. “Blümchenfutter? Willst du mich verkackeiern? Die Blümchen haben doch gar keinen Mund zum Essen. Also wirklich, du erzählst heute so Sachen…!“

„Aber trotzdem brauchen sie Futter. Sie bekommen es aus dem Boden, über die Wurzeln,“ erklärt Elli.

„Dann verbuddeln wir also die Schalen, damit die Blümchen satt werden?“

Elli schüttelt leicht den Kopf: „Nein, ganz so einfach ist es nicht. Da gibt es einen Zwischenschritt,“

„Ja bitte, ich höre?“, drängt Puck sie, ein neues Geheimnis zu offenbaren.

„Nun, Würmer und Käfer fressen die Schalen und was sie dann auskackern, das ist bestes Blümchenfutter.“

Puck versucht zu verstehen, dann prustet er los. „Was? Die Blümchen essen Wurmkacka? Das kann ja nicht wahr sein“, und Puck kugelt sich vor Lachen.

Nachdem er genug gekichert hat, drängt sich ihm die nächste Frage auf.

„Wo sind diese Würmer? Ich will das sehen!“, und kurze Zeit später laufen Elli und Puck im strömenden Regen durch den Garten, auf dem Weg zu einer Stelle, die Elli die Kompostkiste nennt.

„Dorthin bringe ich alle Gartenabfälle und die übrig gebliebenen Sachen aus der Küche, die den Würmern gut schmecken“, erklärt Elli. Als sie jedoch an der Kiste ankommen, beleibt Elli wie erstarrt stehen. „Was ist denn?“, fragt Puck verwirrt.

„Der Deckel, hier war gestern ein Deckel drauf“, sagt Elli.

Puck schaut sich um. Weit und breit kein Deckel zu sehen. Nur den großen Holzkasten sieht Puck, an dem es sehr ungewöhnlich riecht. Ein neuer Geruch, den Puck noch nicht kennt, und dieser Geruch kommt nicht von den Küchenabfällen, die hier fröhlich vor sich hin modern.

Ratlos starrt Elli zu der Stelle, wo der Deckel sein sollte.

„Komisch, das muss ich wohl vergessen haben. Aber wo steckt er?“

Eine Weile suchen die beiden den Deckel, doch als das Wasser vom Regen ihnen kalt von den Haaren tropft, gehen sie zurück zum Haus.

Den ganzen Weg entlang schüttelt Elli nachdenklich den Kopf: „Ich bin mir ganz sicher, dass ich den Deckel gestern in der Hand hatte. Komisch.“

So verwundert sind sie beide, dass sie ganz vergessen, sich die Sache mit den Würmern genauer anzusehen.

 Doch etwas anderes lässt Puck in den nächsten Stunden keine Ruhe. Es ist der neue Geruch an dieser Kiste, in der Elli die Gartenabfälle für die Würmer sammelt. Puck hat eine sehr empfindliche Nase, und dieser Geruch lässt ihm keine Ruhe.

Trotz des Regens geht er bald allein zurück in den Garten, um diese ungewohnt riechende Sache genauer zu erkunden.

In der Nähe der Kompostkiste bleibt er wie angewurzelt stehen. Da ist etwas! Was sind das für Geräusche? Machen etwa die Würmer solch einen Radau?

Puck duckt sich flach auf den Boden und versucht so leise zu sein, dass niemand ihn bemerken kann.

Dann sieht er, wie aus der Kiste im hohen Bogen Kartoffelschalen herausgeflogen kommen. Puck spitzt die Ohren. „Das kann nicht sein, schon wieder nur Möhren und Kartoffeln? Was ist mit dem leckeren Zeug? Es gab doch schon lange nichts Süßes mehr? Warum keine Apfelgriebsche? Isst sie etwa keine Äpfel mehr?“ Eine zweite Stimme antwortet, und es hört sich so an, als spräche jemand mit vollem Mund: „Wasch meinscht du?“ Und schon hört Puck ein lautes Gezeter und Geschimpfe, wie: „Mein Apfel! Gib den wieder her!“ und „Geh weg, isch hab ihm zuerscht geschehen.“

Puck sträuben sich die Haare vor Angst, und doch schleicht er sich vorsichtig hinter den Sträuchern näher heran, denn seine Neugier ist so viel größer als die  Angst.

Als er nah an der Kiste ist, knackt unter seiner Pfote plötzlich ein Zweig. Sofort hört der Lärm in der Kiste auf. Es ist so still, dass man ein Blatt zu Boden fallen hören könnte.

Dann sieht Puck erst vier Pfötchen am Rand der Kiste, wenig später vier graue Ohren, schwarze Knopfaugen, umringt von schwarzem Fell in kleinen, plüschig grauen Gesichtern.

Puck weiß nicht, was zu tun ist. Er zieht die Nase und Lippen hoch und zeigt vorsorglich seine Zähne, damit die Eindringlinge schon einmal wissen, dass er stark und nicht wehrlos ist.

Die zwei wuscheligen Köpfe kommen etwas höher aus der Kiste heraus, und es zeigen sich unter den Nasen zwei Reihen makelloser weißer Zähne mit spitzen, etwas größeren Reißzähnen an den Seiten.

So starren sie sich gegenseitig an, ein ganzes Weilchen, und es ist nichts weiter zu hören als ein leises Knurren von beiden Seiten.

Dann plötzlich sehen sich die zwei Gestalten eine winzige Sekunde an und springen wie ein Blitz aus der Kiste auf Puck zu.

Den durchfährt ein gehöriger Schreck und mit eingezogenem Schwanz flieht er in die Büsche. Doch die Beiden sind schnell und wendig. Es geht in wilder Flucht über Sträucher und Beete, im Zickzack durch den Garten. Puck rennt, so schnell er kann, doch seine Verfolger sind  zu zweit. Sie schneiden ihm immer wieder den Weg ab und nach einiger Zeit ist er vom vielen Haken schlagen so erschöpft, dass er nicht weiterlaufen kann. Puck rettet sich mit einem kühnen Sprung in den großen Gartenteich. Hinter ihm hört er lautes Platschen. Verdammt, die können schwimmen!, denkt Puck und paddelt schneller.

Er schwimmt an den Teichrand, klettert heraus und wirft sich nahe am Komposthaufen hinter einem Baumstamm flach auf den Boden und quetscht die Augen zu.  

Die beiden Gestalten kommen tropfend nass mit gefletschten Zähnen näher, und Puck sieht durch einen kleinen Schlitz, dass diese Zähne eher Zähnchen sind, nicht sonderlich groß, jedoch nadelspitz.

Gerade, als Puck erwartet, dass die Beiden sich auf ihn stürzen, bleiben sie vor ihm stehen. Ganz nahe kommen sie und beschnuppern ihn von allen Seiten. Puck zittert am ganzen Körper.

„Der hat genug“, sagt einer von Beiden. „Er sieht sowieso nicht besonders gefährlich aus, oder was sagst du?“

Der zweite Verfolger beugt sich über Pucks Kopf.

„Hey, du musst nicht gleich schlottern, wie ein Blatt im Wind. Wer bist du überhaupt? Willst du etwa unser Essen mopsen? Das kannst du vergessen, das ist unser Futter, das wird nicht geteilt!“, und zeigt dabei auf den Kompost.

Puck muss bei ihrem Anblick an die Bankräuber denken, die er bei Elli im Fernsehen in einem lustigen Film gesehen hatte. In dieser Geschichte hatten diese das ganze Geld aus einer Bank gemopst, und damit niemand sie erkennen konnte, hatten sie schwarze Masken vor den Augen. Jetzt findet er das gar nicht so lustig.

„Was macht ihr hier? Klaut ihr etwa das Futter?“, fragt Puck.

„Wir essen, was sonst? Und wieso klauen? Das braucht doch keiner mehr, sonst würde das hier doch nicht rumliegen.“, antworten die Zwei, die die Frage nicht verstehen.

„Aber das dürft ihr nicht. Das soll doch Blümchenfutter werden!“, protestiert Puck.

Die beiden sehen ihn verständnislos an. Ihre geringelten Schwänze tanzen zeitgleich von einer Seite zur anderen.

„Wer seid ihr überhaupt?“

„Ich bin ich“, sagt der eine. „Und ich bin ich!“, der andere.

Puck bemerkt schon, dass er so nicht weiterkommt. Die beiden sehen sich zum Verwechseln ähnlich. „Ich nenne euch… lass mich kurz denken... Wuschel und Puschel“, und bei sich denkt er: Wenn ich den Anfang des Namens jeweils etwas leise sage, bemerken sie vielleicht nicht, dass ich sie nicht auseinanderhalten kann.

Der links von Puck Sitzende verschwindet wieder in der Kiste und hält kurz darauf Puck ein größeres Stück Kartoffel hin. „Das darfst du haben, aber mehr nicht. Die leckeren Sachen gibt es gerade nicht.“

Puck riecht an der Kartoffel: “Nein danke, esst ihr das ruhig. Ich bin nicht hungrig.

Was sind denn die leckeren Sachen?“, will Puck wissen.

Wuschel oder Puschel (man kann nicht sicher sein, wer wer ist) betrachtet die Kartoffel und beißt ein Stück davon ab. Er verzieht angewidert das kleine Gesicht.

„Äpfel, Pflaumen, alles, was süß ist! Davon gibt es nie genug!“, berichtet er.

„Und habt ihr den Deckel von der Kiste geklaut?“

„Weggeräumt, würde ich das nennen. Es ist sehr anstrengend, den Deckel jedes Mal wieder runterzubekommen. Darum haben wir ihn, sagen wir mal gründlich weggeräumt.“

Puck lässt sich noch einiges aus dem Leben der Beiden berichten, auch, dass sie im ganzen Dorf unterwegs sind, um etwas zu fressen zu finden.

„Manche Leute schmeißen leckere Sachen einfach in die Mülltonnen, anstatt auf den Kompost. Das ist jedes Mal eine Heidenarbeit das da auszusortieren, das kannst du glauben.

Und die Menschen sind sehr unfreundlich zu uns. Manchmal werfen sie Sachen nach uns und rennen uns schreiend hinterher. Nicht nett!

Einmal hat mir ein Mann mit einer Taschenlampe mitten in die Augen geleuchtet, so dass ich eine Stunde nichts mehr sehen konnte! Als ich weggelaufen bin, habe ich mich überall angestoßen, weil ich fast blind war. Dabei hatte ich gerade das leckerste Futter geschnappert, dass die Menschen oft draußen einfach liegen lassen, nur eben nicht für uns, sondern für die Vögel.

Ich verstehe das gar nicht. Die Vögel werden gefüttert, und wir werden weggejagt.“

Am Abend bei Elli am Feuer lässt Puck das Erlebte keine Ruhe.

„Sag mal, wie schmecken eigentlich Pflaumen?“, fragt er unvermittelt.

„Pflaumen? Süß und sauer gleichzeitig“, antwortet Elli.

„So wie Äpfel?“, fragt Puck.

„So ähnlich, auch süß und sauer und saftig. Genau.“

Puck grübelt eine Weile.

„Und sind Äpfel und Pflaumen auch gesund?“

„Ja, das stimmt, sehr gesund. Warum interessiert es dich? Äpfel hast du doch schon probiert. Wenn ich mich richtig erinnere, fandest du sie nicht besonders lecker.“

„Es kann ja nicht immer nur um lecker gehen. Ich denke, ich muss auch mal was anderes essen, als immer nur Hühnchen. Und du musst auch viel mehr gesundes Zeug essen. Was wir nicht schaffen, kann ja auf den Kompost, wegen des Blümchenfutters, oder?“

Elli legt den Kopf zur Seite und beobachtet Puck ein Weilchen, als wolle sie herausfinden, was in seinem kleinen Kopf vorgeht, ohne direkt danach zu fragen.

Dann zuckt sie mit den Schultern und träumt weiter in das Feuer hinein.

Kurz bevor das Feuer heruntergebrannt ist, fragt Puck:

“Gibt es ein Tier, in dessen Namen irgendwas mit Räuber oder Dieb vorkommt?“

Elli denkt nach: „Nun, als räuberisch werden sehr viele Tiere beschrieben, aber bei Diebstahl, da fällt mir die Elster ein, der Fuchs vielleicht, und der Affe, aber den gibt es hier nicht.“

Puck schüttelt den Kopf. „Nein, etwas, was auch aussieht wie ein Dieb, wie in diesem Film, bei dir im Fernsehen.“

Elli grübelt ein Weilchen. Dann schmunzelt sie.

„Verstehe. Hast du vielleicht die Waschbären kennen gelernt? Sind sie es, die am Komposthaufen alles durcheinanderbringen und gerne mehr Äpfel und Pflaumen essen würden?“

Puck schüttelt energisch den Kopf. „Nein, ich wollte das nur so wissen. Niemand ist am Komposthaufen, absolut gar niemand. Ich habe keine Ahnung, was du meinst.“

Und nach einem Weilchen fragt Puck: „Aber nur so: wenn ein Waschbär hierher käme, also nur für den Fall... Du würdest ihn nicht schreiend wegjagen, oder?“

Elli wartet mit ihrer Antwort. „Ich weiß es nicht. Wenn jemand meine Äpfel wegfrisst, werde ich schon sauer. Aber da ja kein Waschbär da ist, muss ich es auch nicht wissen, oder?“

Puck lächelt sie an. „Genau!“

Und bei sich denkt er: Nun habe ich bestimmt alle Pfötchen voll zu tun, diese Waschbärchen von Ellis Äpfeln fernzuhalten, wenn die reif sind.

Und zu Elli: „Wann sind eigentlich die Äpfel im Garten reif?“

„Das hat noch Zeit, erst im September.“

Puck denkt noch: was für ein Tag! und: zum Glück erst September...aber wann ist eigentlich dieses September? , und schon überkommt ihn der Schlaf.

 

 

 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Nadwa Jazzan (Donnerstag, 10 August 2023 15:39)

    An amasing story that took me to a world I have never thought about before. I will for sure read it for my kids in class and get benfit of it in science lessons. Thank u 4 sharing it.