Puck und das Sternenlicht

 

 

Der Frühling ist endlich eingezogen im Garten am Waldrand.

Überall summt und brummt es, und wo vor ein paar Tagen nur winzige grüne Blättchen zu sehen waren, blühen nun schon bunte Blumen.

Die Vögel singen ihre Lieder so laut, dass Puck sich selbst manchmal nicht verstehen kann.

Heute sind Puck und Igittel im Garten unterwegs.

Puck freut sich sehr, dass sein Freund fertig ist mit seiner Winterpause, denn Puck hatte in den letzten Monaten große Sehnsucht nach Igittel. So glücklich ist Puck, dass er Igittel am allerliebsten umarmen würde, doch das lässt er wegen des stacheligen Fells seines Freundes lieber sein.

Jedes Mal, wenn Elli von der Gartenarbeit aufschaut, sieht sie die beiden wo anders scheinbar höchst interessante Dinge entdecken.

Als sie Verstecke spielen und Puck Igittel endlich unter einem Vordach zwischen den alten Tomatenpflanzen vom Vorjahr entdeckt, knabbert dieser genüsslich an einer sehr fetten Raupe, die fast ein wenig durchsichtig aussieht. Willst du kosten?, fragt Igittel und hält Puck ein abgeknabbertes Stück Raupe hin. Puck schnuppert daran. Riecht lecker. Was ist das? Hühnchen?

Keine Ahnung. Meine Mutti hat gesagt, wenn ich viele von diesen Dingern esse, werde ich groß und stark. Aber sie hat nicht gesagt, wie viele ich essen muss, damit ich endlich groß bin. Und sie hat auch nicht gesagt, dass die so schwer zu finden sind.

Die beiden buddeln auf der Suche nach weiteren Leckereien mit großer Entschlossenheit das ganze Beet um, so dass die Erde in alle Richtungen fliegt.

Puck hält abrupt inne. Was ist das?

Da ist etwas Komisches unter seiner Pfote. Es ist kein Stein, keine Erde,. Komm mal, guck mal hier. Was ist das?, ruft er zu Igittel. Die beiden graben vorsichtig weiter, und bald liegt vor ihnen ein langes Ding, mit Kopf und Augen, jedoch ohne Beine. Das ist ein Wurm, den kenne ich., ruft Igittel. Der ist aber echt groß! Und sieh nur, der hat Augen. Puck betrachtet das Ding erstaunt. Der Wurm ist fast schwarz, so lang wie Puck selbst und am Kopf hat er helle, gelbe Flecken, über jedem Auge einen. Ich glaube, der ist tot.

Igittel leckt an dem Wurm, um zu testen, ob er ihn vielleicht essen kann. Phä. Igitt! Was ist das denn!, spuckt er prustend  aus und schüttelt sich. Das ist kein Wurm. Würmer sind sehr lecker und gesund, sagt Mama. Das hier schmeckt eklig, das kann nicht gesund sein. Kurz überlegen sie noch, was sie mit dem Fund anfangen könnten, doch da fällt ihnen das Versteckspiel wieder ein.

Du bist dran mit suchen!, ruft Puck und schon flitzen die zwei Freunde davon und vergessen ist der komische Wurm. Aber nicht im Schilf verstecken, da ist es glitschig, da suche ich nicht, ruft Igittel Puck hinterher.

 

Als sie genug gespielt haben und Igittel wieder zu seiner Mama gelaufen ist, legt sich Puck neben Ellis Gemüsebeet und schaut ihr bei der Arbeit zu. Da fällt ihm der Wurm wieder ein.

Du, ich muss dir etwas zeigen!, ruft er zu Elli, flitzt los und im nächsten Moment kommt Puck schon mit dem langen Ding im Maul zurück und lässt es vor Elli fallen. Bäh, das ist ja wirklich nicht lecker, ruft er und schüttelt sich angewidert.

Elli betrachtet den Fund. Das ist eine Ringelnatter, erklärt sie und streicht vorsichtig über deren Kopf.

Was ist eine Ringelnatter?, fragt Puck.Elli und Puck arbeiten im Garten.

 

"Eine Schlange, sie lebte hier im Gebüsch in der Nähe vom Teich."

Puck betrachtet die Schlange von allen Seiten.

„Sie sieht komisch aus. Irgendwie nicht richtig“, stellt Puck fest.

„Nun, sie ist tot, darum sieht sie so aus.“, antwortet Elli.

 Was bedeutet, sie ist tot?

Elli setzt sich umständlich auf den Boden neben Puck.

Nun, alles wollen und sollen hat ein Ende. Es ist alles still.

Es ist, als sei das, dass in diesem Körper gelebt hat, ausgezogen.

Puck legt den Kopf schief und betrachtet die Schlange.

Er berührt sie vorsichtig mit der Pfote.

„Kommt sie zurück? Also, wacht sie wieder auf?

Nein, sie wacht nicht wieder auf , antwortet Elli.

Was passiert mit dem Körper, wenn sie ihn nicht mehr braucht?

Elli nimmt eine Hand voll Erde aus dem Gemüsebeet.

Es dauert ein Weilchen, aber irgendwann ist sie, wie diese Erde hier.

Und dann ist nichts mehr von ihr übrig? Sie ist einfach weg?

Nun, nein, es ist wie eine Verwandlung.

Aus der Schlange wird Erde, aus der Erde hier wachsen dann wieder Pflanzen, und vielleicht frisst ein anderes Tier dann die Pflanze und wird groß und stark. Auf diese Weise ist sie nie ganz weg.

 

„Und wo ist der Rest, also das, was jetzt ausgezogen ist?“, fragt Puck.

Elli denkt lange nach.

„Keiner weiß das ganz genau. Ich denke, es wird Teil von allem. Teil von Luft, von Wasser, Teil von Licht, und von Wärme. Aber das ist nur meine Idee dazu. Wer weiß, vielleicht setzt es sich neu zusammen und sucht sich ein neues Haus, wenn es soweit ist. Manche Menschen glauben das.“

„Und was glaubst du?“, fragt Puck.

Elli schließt kurz die Augen und fasst sich an die Brust, dahin, wo das Herz wohnt.

Ich glaube, es bleibt auch noch etwas Anderes von ihr hier, nämlich wenn sich jemand an sie erinnert, der sie gekannt hat.

Puck beobachtet sie mit großen Augen.

Für mich ist es so: wenn ich jemanden liebhabe, dann wächst etwas wie ein kleiner Stern in meinem Herzen, sagt Elli und schaut Puck an.

Und auch wenn dieser jemand mal nicht oder gar nicht mehr da ist, bleibt der Stern. Der strahlt dann in mir weiter und ich kann ihn immer wieder ansehen und mich freuen, wenn ich an ihn denke.

Elli streicht  Puck sanft über den Kopf.

Dann ist die Schlange jetzt Sternenlicht?, fragt Puck und sieht zum Himmel. Ja, für irgendwen bestimmt. Daran glaube ich.

 

Elli wartet geduldig, denn sie ahnt schon, dass das noch nicht alle Fragen waren.

Aber, dann ist ihr bestimmt langweilig, und sie ist traurig, weil sie nicht spielen kann.

Elli schmunzelt. Das merkt sie nicht. Sie braucht nichts mehr, alles ist gut. Traurig ist es nur für diejenigen, die nicht mehr mit ihr spielen können.

Puck lässt die Ohren hängen. Das stimmt, sehr traurig. Aber ich habe noch nie mit einer Schlange gespielt. 

Elli muss lachen. Wenn du mal wieder eine triffst, kannst du es ja mal versuchen.

 

Nach einiger Zeit fragt Puck: Warum gibt es so etwas?

Sterben meinst du? Das ist doch schon wieder so eine Frage eine gute Frage…“, Ellis Augen leuchten vor Freude.

Vielleicht ist es so: Stell dir ein großes Zimmer vor.

Puck schaut sie gespannt an. Mach ich.

Wenn nun also immer wieder etwas Neues in das Zimmer kommt, neue Pflanzen, Menschen, Tiere, , da unterbricht sie Puck Neue Spielsachen!

Elli nickt. Ja, meinetwegen auch neue Spielsachen. Was passiert mit dem Zimmer?

Auch Bäume? Sind auch Bäume in dem Zimmer?, fragt Puck verwirrt.

Ja, auch Bäume. Alles, was du dir vorstellen kannst.

Dann ist das aber ein sehr großes Zimmer, sagt Puck.

Ja, sehr groß. Also was passiert, wenn ständig neue Dinge hineinkommen?

Kommen die Dinge durch die Tür hinein?, fragt Puck neugierig. Elli schüttelt ungläubig den Kopf. Ja, nein, meinetwegen, durch die Tür. Was passiert, wenn immer mehr hereinkommt?

Dann ist bald kein Platz mehr zum Spielen. Dann muss etwas zum Fenster raus. Oder durch die Terrassentür , antwortete Puck.

Elli schmunzelt. Ja, wenn etwas Neues kommt, muss etwas anderes Platz machen. Und es ist gut, wenn das Alte Platz macht.

Das war schon ganz lange in dem Zimmer. Vielleicht ist es schon ein bisschen kaputt und funktioniert nicht mehr. Jetzt ist das Neue dran.

Puck schaut sie mit staunenden Augen an.

Verstehe.“, und nach kurzem Grübeln fragt er:

„Dann ist jetzt, wo die Schlange tot ist, vielleicht Platz für eine kleine Schwester für mich, oder?

Elli lächelt. „Nun ja, das wird aber eine ganz kleine Schwester, wenn wir mal von der Größe der Schlange ausgehen.“

„Das ist ok, die bekommt was von meinem Hühnchen, dann wächst sie bestimmt wie von allein.“

 

Am Abend feiern die Menschen im Dorf gemeinsam das Osterfest. Sie haben Eier an die Bäume am Waldrand gehangen, eine Idee, die Puck sehr lustig fand. Auch Elli und er haben Eier bemalt und angehangen. Elli sagte, dass sie das machen, weil die Menschen sich so sehr freuen, dass der Winter vorüber ist und die harte Zeit ohne Licht nun vorüber sei. Das konnte Puck gut verstehen, wo er doch so lange auf seinen Spielfreund Igittel hatte warten müssen.

Und nun treffen sie sich zu einem Fest mit einem großen Feuer, so groß, dass Puck sich nicht traut, allein drumherum zu laufen, da er Elli von der anderen Seite des Feuers nicht sehen könnte.

Schon im letzten Jahr hatte Elli ihn mitgenommen zu solch einem Fest, und darum hat er dieses Mal weniger Furcht vor den vielen Menschen. Und als sie beginnen zu singen, fällt Puck sofort mit lautem Geheul ein. Kinder flitzen schreiend umher, es wird geredet und gelacht, es gibt leckeres Essen und alle scheinen froh zu sein. Als das Feuer schon fast heruntergebrannt ist und die ersten Menschen bereits den Heimweg angetreten haben, sitzt Puck auf Ellis Schoß und beobachtet einen sehr alten Mann, der ganz in der Nähe sitzt. Der Mann sitzt gebeugt, als hätte er nur wenig Kraft. Seine Haut ist faltig und etwas grau und seine Finger sind gekrümmt. Aus kleinen, wässrigen grauen Augen schaut er verträumt ins Feuer.

Elli bemerkt, wie Spannung in Pucks Körper kommt. Sie setzt sich gerader hin und wartet, was er wohl vorhat.

Da dreht Puck sich um und fragt sie ganz laut, so dass alle ihn hören können: Du, wann stirbt dieser Mann dort?, und zeigt mit der Pfote auf den alten Mann am Feuer.

Obwohl Elli weiß, dass die anderen Menschen Puck nicht verstehen können und nur ein Bellen hören, wenn Puck mit ihr spricht, schlägt sie die Hände vor ihr Gesicht.

Ich weiß nicht, wann dieser Mann stirbt. Niemand weiß das, sagt sie leise.

Puck ist nicht zufrieden mit der Antwort. Aber er ist schon sehr alt, oder?

Ja, das kann sein, antwortet Elli. Warum ist es dir so wichtig, dass zu wissen?

Na wenn der Mann stirbt, dann ist mehr Platz in dem großen Zimmer hier, und dann kann ich vielleicht eine etwas größere kleine Schwester haben Er kann ja dann ein Stern sein.

Elli nickt. Verstehe, und nachdem sie etwas nachgedacht hat: Nun ist doch aber dein Igittel wieder da zum Spielen. Ist das nicht genug?

Puck schaut sie empört an. Aber ich kann doch einen Freund und eine kleine Schwester haben, das ist doch nicht das Gleiche.

Elli grübelt. Da hast du schon wieder Recht. Aber kleine Schwestern fallen nicht einfach so vom Himmel, das weißt du aber schon, oder?

Wieso, ich bin doch auch vom Himmel gefallen, hast du das etwa vergessen? Das kommt bestimmt öfter vor. Vielleicht ist sie schon da, und ich muss sie nur finden?! Was, wenn sie allein im Wald wohnt, so wie ich, bevor ich dich getroffen habe?

 Mh, das ist möglich, antwortet Elli zögerlich. Na, es kann sicher nicht schaden die Augen offen zu halten. Man kann nie wissen.

Und so schlendern sie gemeinsam zurück durch die Dämmerung, Richtung Waldrand.

Elli nachdenklich, doch Puck in alle Richtungen schnuppernd, ob nicht vielleicht ein neuer Geruch von der Ankunft seiner kleinen Schwester zeugen könnte.

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