Für Eva
Die bunten Blätter, durch die Puck in den letzten Wochen voller Wonne im Garten des roten Hauses am Waldrand getollt war, liegen braun und schlapp auf der Wiese. Der Regen und der erste Frost in den letzten Tagen haben die Farben weggenommen. Puck sitzt auf der Terrasse und sieht in den grauen Himmel. Er reckt seine kleine Nase in den Wind. War da nicht ein vertrauter Geruch? Hasi? Igittel?
Er schnuppert in alle Richtungen. Nein, da ist nichts.
Im Haus sitzt die alte Frau in ihrem Schaukelstuhl am Feuer und schaut abwesend in die Flammen. Sie hat sich ein Wolltuch um die Schultern gelegt und hin und wieder schnauft sie tief.
Puck holt seine allerliebste Lieblingsfrisbee, drängelt sich damit durch die Tür und legt sie Elli vorsichtig vor die Füße. Elli, so heißt die alte Frau, bei der er lebt.
Elli spielt super gerne Frisbee, und sie ist gut im Fribeespielen.
Er setzt sich und schaut wartend abwechselnd Elli und die Frisbee an. Komisch, das hat sonst immer prima funktioniert. Wenn Puck Elli nur lange genug angesehen hatte, musste sie immer lachen und meist stand sie dann auf und spielte mit ihm.
Doch heute ist etwas anders.
Puck schiebt seine Nase unter ihren Arm. Ohne ihn anzusehen, streichelt sie ihm abwesend über den Kopf.
So geht es nicht weiter. Puck legt sich neben ihre Füße und grübelt nach.
Irgendwie muss er es schaffen, dass Elli wieder lacht.
Mal ein Stündchen traurig sein, das passiert Puck auch manches mal.
Vor allem, seit draußen die Farben verschwunden sind.
Aber so viel schnaufen und ins Feuer gucken ist nicht gut.
Vor einigen Tagen, da war sie noch fröhlich, ach was, gestrahlt hat sie. Die Leute aus dem Dorf hatten ein großes Feuer gemacht, gemeinsam standen sie im Dunkeln, sahen die Funken in den Himmel steigen und alle waren so glücklich. Elli hatte Puck zum ersten Mal mit zu den Leuten genommen. Anfangs hatte er sich sehr gefürchtet.
Es wurde gesungen.
Noch nie hatte er zuvor gehört, wenn Menschen gemeinsam jaulten.
Und Elli hatte ganz laut mitgesungen und Puck, nachdem er erkannt hatte, dass nichts Gefährliches passieren würde, sang auch. Am liebsten hätte Puck seitdem jeden Abend ein großes Feuer mit frohen Leuten besucht.
Bisher dachte Puck, Elli wäre der stärkste Mensch, den es gäbe. Sie hatte immer gute Laune, bastelte merkwürdige Dinge und backte die weltbesten Leberwurstleckerlis.
Und sie kennt wirklich aufregende Geschichten.
Doch heute ist es, als wolle Elli nie wieder fröhlich sein. Heute sieht sie gar nicht stark aus.
Puck denkt bei sich: „Dies ist ein besonderer Fall von Herbst-Aua, da genügt Frisbee und süß gucken nicht.“
„Tut dir was weh?“, fragt er vorsichtig. Elli schaut langsam vom Feuer zum Fenster, dann zu Puck.
„Die Dunkelheit, die tut mir weh.“, sagt sie leise. Puck denkt und denkt, und dann springt er auf wie von der Tarantel gestochen, flitzt davon und kommt kurz darauf mit einer Taschenlampe im Maul zurück.
Er legt sie Elli auf den Schoß, und schon schaut sie etwas weniger trüb. Sie schaltet die Lampe ein und macht für Puck Fingerschattenspiele. „Licht hilft gegen Dunkelheit, da hast du Recht.“
Doch bald schon schnieft sie wieder. „Noch mehr weh?“, fragt Puck.
„Was hilft bei dir gegen die Angst?“, fragt Elli leise.
Puck setzt sich aufrecht hin. So kann er besser denken.
„Mh, kommt drauf an, welche Angst. Bei Angst vor Sachen, die ich nicht kenne…da frage ich jemanden, der das schon kennt. Meistens frag ich Hasi, die ist sooo mutig, und kann mir immer alles so gut erklären, dass ich hinterher gar nicht mehr weiß, warum ich mich überhaupt gefürchtet habe.“
Puck muss angestrengt nachdenken, was ihm sonst noch Angst macht. „Manchmal hab ich Angst vor Sachen, die ich schon kenne. Weil sie schon mal so doof waren, dass ich sie nie wieder haben will.“
Elli schaut Puck lange grübelnd an. „Du bist ein sehr schlauer kleiner Geist. Und was hilft bei dieser Angst?“
„Keine Ahnung.“ Antwortet Puck. „Das hatte ich noch nicht so oft. Da hab ich doch dich gefragt.“
„Mh, und was hab ich gesagt?“, fragt Elli verwundert.
„Ich glaube, so was, wie: du bist so stark, und du kannst auch mit Angst alles machen, was du willst. Die Angst macht dich nicht klein, sondern stark und mutig.“
„So was Schlaues soll ich gesagt haben?“, Elli schüttelt ungläubig den Kopf.
„Und hat dir das geholfen?“
„Ja, und wie!“
„Mh. Dann ist es ja gut.“
Elli sieht wieder ins Feuer, doch es scheint einfach nicht besser zu werden mit dem Weh.
Puck schubst sie an.
„Es ist die Traurigkeit.“, flüstert sie zu sich selbst.
„Oh, da hab ich was.“
Puck flitzt sofort wieder los, und kommt in Windeseile mit seinem Lieblingskuscheltier zurück.
Elli nimmt das zerzauste Stoffhäschen in ihre faltigen Hände, und schaut es mit einem müden Lächeln an.
Tränen glitzern in ihren Augenwinkeln. „Kleiner Schatz, ich brauche gar nichts gegen die Traurigkeit.. Sie passt gerade ganz gut.“
„Aber was soll denn daran gut sein? Gut, das ist leckeres Essen, das ist lustiges Spielen, das sind spannende Geschichten, das ist planschen im See…“
„Keine Sorge mein Freund, Traurigkeit macht all diese Dinge noch besser.“
"Sonst hat Elli ja fast immer Recht, aber seit wann soll traurig sein gut sein… das sieht doch jeder, dass das nicht gut ist. So geht das nicht weiter. Wir brauchen Hilfe!“, denkt sich der kleine Hund.
Er leckt Elli über die Hand und läuft dann in den Garten, durch das Loch im Zaun in den Wald hinein.
Er muss nicht lange suchen. Der Geruch vorhin im Garten, da war doch etwas. Puck folgt der Fährte und bald schon sieht er seine Freundin, Hasi, die mit ihren Geschwistern auf dem Feld fangen spielt. Bis zur Dämmerung ist Puck unterwegs. Als Elli von ihrem Schaukelstuhl aufsteht, sich den Rücken reibt und sich reckt, bemerkt sie, dass die Tür zur Terrasse offensteht. Komisch, denkt sie, wo steckt den der Puck? Sie tritt hinaus auf die Wiese, will gerade nach ihm rufen, und traut ihren Augen und ihren Ohren kaum.
Da steht ihr kleiner Puck, gemeinsam mit Igittel, seinem besten Freund, mit Hasi und mit Rudi, dem jungen Rehböckchen. Die drei Eichhörnchen, die im Dachstuhl wohnen, der winzige Zaunkönig und Punky, die lustige Schopfmeise, die aussieht wie ein winziger wilder Rockstar sind dabei. Sie alle stehen um Puck herum auf der Wiese, und dann geht es los. Puck reckt seinen Hals und lässt den besten Heuler los, den er je geheult hat. Und alle Tierkinder stimmen ein, sogar der Buntspecht klopft den Takt dazu. Verzückt schlägt Elli die Hände vor das Gesicht, und dicke Freudentränen kullern über ihre Wangen. Aber diese Tränen machen Puck keine Angst, denn Elli lacht, strahlt und weint zugleich.
Und sie singt mit ihnen. Und wie auf Bestellung tanzen die ersten Schneeflocken vom Himmel und legen sich auf die Nasen, Schnäbel, Haare, Stacheln und Federn der Tierkinder.
An diesem Abend sitzt Puck auf Ellis Schoß, sie sehen gemeinsam ins Feuer und schnaufen, und träumen gemeinsam
glücklich traurig in den Winterabend.
„Du…kann man stark und schwach und groß und klein zugleich sein?“, fragt Puck und muss sich schon anstrengen, um die Augen offen zu halten. „Das klingt komisch, aber geht das?“
„Ich weiß nicht, sag du es mir.“; antwortet Elli bedächtig.
„Keine Ahnung, Aber weißt du was, wenn nur immer mal Leberwurstleckerli und Kuschelhasi da sind, ist das okay.
Und wenn ich weiß, dass du da bist, irgendwo….
und Hasi…
und Igittel….
und Punky……
und…..“
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